Du erinnerst mich an morgen by Marsh Katie

Autor:Marsh, Katie
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: d-Diana HC
veröffentlicht: 2017-02-27T13:47:27+00:00

Unser Haus, Longford

Geschenk: Ein Mantel, den du dir ungefähr tausend Mal gewünscht hast, weil er ja sooooo toll ist.

Musik: Oasis

15. JUNI 1999

Zoe, Zoe, Zoe,

ich bin so sauer auf dich, dass ich vor lauter Wut nicht schlafen kann. Ich marschiere im Wohnzimmer auf und ab, wo es wieder mal aussieht wie bei den Hottentotten, und mir wird bewusst, wie scheißegal es eigentlich ist, dass überall CDs rumliegen und Becher rumstehen, wenn es doch zwei Uhr nachts ist und draußen stockdunkel und du erst vor einer Stunde zur Haustür hereingetaumelt kamst – in Tränen aufgelöst, sodass dir die Wimperntusche, die du zum Geburtstag bekommen hattest, über die Wangen lief. Ich befürchtete gleich das Schlimmste, glaubte schon, morgen eine dieser Mütter zu sein, die man bei Pressekonferenzen im Fernsehen sieht. Bleich. Den Tränen nah. Verzweifelt darauf aus, jemanden zu finden, dem sie die Schuld geben können.

Aber nein. Stattdessen stellte sich heraus, dass dieser Junge namens Charlie, in den du verknallt bist, mit einem anderen Mädchen von der Party im Nachbarort, auf der ihr zufällig gelandet wart, abgehauen ist, und dich dort einfach zurückgelassen hatte – ohne Kreditkarte und ohne ein Münztelefon weit und breit, weshalb du den ganzen Weg allein nach Hause laufen musstest. Bei dem Gedanken daran fange ich wieder an zu zittern. Wie viele Wagen müssen auf der dunklen Straße an dir vorbeigefahren sein. Wer hätte alles dort drinsitzen und Gott weiß was mit dir anstellen können.

Du hast so ein verdammtes Glück gehabt, dass nichts passiert ist! Kein Wunder, dass meine Mutter mich so angeschrien hat, wenn ich damals in den frühen Morgenstunden mit Raucheratem und Grasflecken auf der Jeans nach Hause gewankt kam. Das war keine Wut – das war die schiere, blanke Verzweiflung.

Als du zur vereinbarten Zeit nicht zu Hause warst, bin ich in dein Zimmer gegangen, und dein Bett war kalt, und dein Lippenstift lag offen auf der Kommode, wo du ihn hattest liegen lassen, als du aufgeregt losgestürmt bist. Ich habe die Bettdecke glatt gestrichen und ein paar Anziehsachen zusammengefaltet, aber hauptsächlich saß ich am Küchentisch und starrte auf das Foto von dir und Lily, das auf dem Fensterbrett steht. Alistair verdient endlich genug, dass wir dir das Geschenk kaufen konnten, das du dir gewünscht hast, und dein neuer Mantel liegt über dem Küchenstuhl, wo du ihn schweren Herzens zurückgelassen hast, weil es zu warm war, um ihn zu tragen. Ich erinnerte mich an dein Gesicht, als du ihn ausgepackt und über den Kunstpelz gestrichen hast, als sei es Gold. Dein Lächeln. So wunderschön.

Der Mantel ist längst vergessen. Du hast furchtbar geheult und geschluchzt, als du hereinkamst, und ich war so verdammt wütend auf Charlie, weil er einfach ohne dich verschwunden ist, dass ich am liebsten jemandem eine verpasst hätte. Du solltest nicht so allein sein. Nicht du. Nicht meine talentierte Tochter mit dem großen Herzen. Dann kamen Gott sei Dank Alistair und Simon von einem Kundenabend zurück und setzten sich links und rechts von dir aufs Sofa, erzählten dumme Geschichten und fütterten dich mit Marshmallows, bis die Anspannung langsam aus deinen Schultern wich und die Tränen versiegten.

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